Walnüsse oder Mandeln?

01 Nov 2019

Kürzlich beim Unverpacktladen meines Vertrauens. Ich benötige Nüsse für mein Müsli. Bei der Auswahl zwischen Mandeln, Haselnüssen und Walnüssen frage ich mich, wie es wohl um die CO2-Bilanz der verschiedenen Produkte steht.

Ich entscheide mich spontan für die “regionale” Ware aus Italien (Mandeln) und der Türkei (Haselnüsse) und gegen die Walnüsse aus Brasilien und beschließe zu Hause eine kleine CO2-Recherche durchzuführen.

Die CO2-(Äquivalent)-Rechnung

Ich beschränke mich auf den Vergleich Brasilien - Italien. Die brasilianische Ware wird vermutlich größtenteils mit dem Schiff transportiert. Bei der italienischen Ware bieten sich Güterbahn und LKW an, prinzipiell auch die Binnenschiffahrt. Aktuell scheint allerdings noch der Großteil über die Straße zu laufen¹.

Meine Überschlagsszenarien zusammengefasst:

Brasilien

ca. 10.000 km Seeweg (Brasilien–Hamburg; Längenmessung bei einem Online Kartenanbieter)

Italien

ca. 2.000 km mit dem LKW bzw. der Bahn (Sizilien–Hamburg)

Wählt man einen Zielort, der keinen Hafen hat, kommt im ersteren Fall natürlich noch der Inlandstransport auf Straße oder Schiene dazu.

Bleibt die Frage, wieviel CO2-Äquivalent pro Tonnenkilometer (tkm) Ware Schiff, Bahn und LKW ausstoßen. Beim Umweltbundesamt finde ich Daten für 2017 (siehe Abb. 1): 103 g/tkm Treibhausgase für den LKW und 19 g/tkm für die Güterbahn; also ein Faktor fünf Unterschied zugunsten der Bahn. Die Seeschifffahrt ist leider nicht dabei. Tabelle UBA Abb. 1: Quelle: Umweltbundesamt.

Anmerkung: Aus der Tabelle wird bereits deutlich, dass Treibhausgase nicht die einzigen Emissionen sind. Mehr dazu weiter unten.

Die Seeschiffahrt

Das Umweltbundesamt gibt Einen Überblick über die Emissionsstandards und deren Entwicklungen in der Seeschiffahrt. Erst seit dem 01.01.2018 sind Schiffahrtsunternehmen beispielsweise dazu verpflichtet ihre Emissionen zu überwachen und darüber zu berichten². Inernational ist die IMO (International Maritime Organization) – eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen – eine wichtige Instanz in diesem Kontext. Bei der IMO finde ich zumindest Schätzungen für den Gesamtausstoß von Treibhausgasen im internationalen Schiffverkehr in 2012: 816 Millionen Tonnen Treibhausgase (CO2-Äquivalent; 2.1% der globalen Emissionen)³. Aber wieviele Waren wurden damit über welche Distanzen transportiert? Bei der IMO werde ich diesbezüglich nicht fündig. Längere Recherche führt auf die Daten der UNCTAD (United Nations Conference on Trade and Development). In ihrem “Review of Maritime Transport 2018” – das sich wiederum auf Clarkson Research beruft – werden für 2012 ca. 50.000 Millarden “cargo ton-miles” für den gesamten Seehandel aufgerufen.

Mit den obigen Zahlen lässt sich nun zumindest eine grobe Schätzung der Treibhausgasemissionen pro gefahrenem Kilometer und Tonne Ladung durchführen: $$ \frac{816 \cdot 10^6 \text{t}}{50.000 \cdot 10^{9} \cdot 1.8 \text{km t}} = \frac{816 \text{g}}{50 \cdot 1.8 \text{km t}} \approx 9 \text{g} / \text{(t km)} $$ Also ungefähr 9 g/tkm CO2-Äquivalent im Mittel für ein Seeschiff (vgl. auch 32 g/tkm für das Binnenschiff). Der NABU GIBT 15.1 g/tkm CO2 an, allerdings ohne Quellenangabe. Aufgrund der Adhoc-Rechnung und der nicht allzu gründlichen Prüfung der Daten, wähle ich zum Vergleich mit den anderen Transportmodalitäten eine großzügige Unsicherheitsspanne von 9-20 g/tkm CO2-Äquivalent für die Seeschifffahrt.

Das Ergebnis

Hier noch einmal zusammenfassend die Emissionen der verschiedenen Transportmittel:

Transportmittel	Treibhausgasemission [g/tkm]	Stand
Seeschiff	9–20	2012
Bahn	19	2017
LKW	103	2017

Das Schiff emittiert im Mittel folglich weniger als der LKW, solange die Distanz das Fünf- bzw. Zehnfache nicht überschreitet. In unserem Beispiel liegen wir genau an der Grenze. Für die Treibhausgasbilanzen der verschiedenen Routen gilt nach Rundung:

Route	Distanz [km]	Treibhausgasemission [kg/t]
Brasilien–Hamburg (Schiff)	10.000	100..200
Sizilien–Hamburg (LKW)	2.000	200
Sizilien–Hamburg (Bahn)	2.000	20

Anders als vielleicht gedacht, ist das Verschiffen aus Brasilien hinsichtlich Treibhausgasemissionen vergleichbar mit dem Straßentransport aus Sizilien. Die Bahn emittiert um einen Faktor zehn weniger.

Es ist zu beachten, dass es sich bei den Emissionswerten um Momentaufnahmen handelt (Stand 2012 bzw. 2017). Ich gehe davon aus, dass sich bei der Schifffahrt bis 2017 nicht viel verändert hat. In Zukunft wird es aber in allen drei Bereichen – so bleibt zu hoffen – Fortschritte geben; z.B. neue Antriebstechniken oder ein veränderter Strommix. Inwiefen das die Verhältnisse zwischen den verschiedenen Modalitäten ändert, bleibt abzuwarten.

Mehr als Treibhausgase

Bis zu diesem Punkt schienen Mandel und Walnuss gleichauf zu sein. Es bleibt allerdings zu bedenken, dass Transportmittel weitere Luftschadstoffe ausstoßen. Seeschiffe, die momentan meist noch mit Schweröl fahren, emittieren u.a. vergleichsweise große Mengen Schwefeloxide, Stickoxide, Feinstaub und Ruß ⁴⁵⁶. Hinzukommen Ölverschmutzung, Lärmbelastung der maritimen Fauna etc.

Da mir die zusätzlichen Belastungen für die Umwelt beim Seeschiff größer erscheinen, werde ich weiterhin die europäischen Mandeln bevorzugen.

Neben den ökologischen Auswirkungen des Transports, kann man sich natürlich auch Gedanken über die Produktionsbedingungen oder den Wasserverbrauch – bzw. resultierende Wasserknappheit vor Ort – machen, aber das ist eine andere Geschichte … :-)

Fazit

Am besten man holt sich die Nüsse bei Oma und/oder Opa aus dem Garten. Wenn einem das nicht möglich ist, ist es gar nicht so leicht, eine informierte Entscheidung zu treffen. Allein schon die Berücksichtigung des Transportweges ist nicht trivial. Für mich persönlich scheinen die Erzeugnisse aus Europa aber die beste Wahl (hinsichtlich Transportweg), insbesondere wenn sie mit der Bahn transportiert wurden⁷.